Historisches

1910 beginnt eine neue Zeitrechnung
Schramberger Gaswerk nimmt Betrieb auf


Nach der Erhebung Schrambergs vom Marktflecken zur Stadt vor 150 Jahren war die Inbetriebnahme des Gaswerks im Jahr 1910 für die Bürger ein weiteres Ereignis mit weitreichenden Auswirkungen für ihr Leben. Denn damit begann in der Fünftälerstadt eine neue Zeitrechnung. Zunächst diente der neue Energieträger in erster Linie zur Beleuchtung – in diesem Zusammenhang wurden die Straßenlampen auf Gas umgestellt, am 4. Mai 1911 kündigte die Stadt ihre Verträge mit dem Elektrizitätswerk. Doch auch die Bevölkerung zeigte zunehmend Interesse. Und das nicht ohne Grund: Um den Absatz anzukurbeln und den Kundenkreis zu erweitern, bezahlte die Stadt die Inneninstallation der Gas anschlüsse in den Gebäuden aus der öffentlichen Kasse.

So ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten: Aus der Anlage, die anfangs eine Tagesleistung von 2.000 Kubikmeter und einen Speicherbehälter für 1.250 Kubikmeter hatte, wurde mit der Zeit ein leistungsfähiges Gaswerk. In Spitzenzeiten strömten bis zu 800 Kubikmeter Gas pro Stunde in das städtische Leitungsnetz. Für damalige Verhältnisse und die eigene Erzeugung eine große Menge. Im Vergleich zu heute aber ein Tropfen auf den heißen Stein, aktuell beziehen Privatkunden und gewerbliche Kunden der Stadtwerke Schramberg 6.950 Kubikmeter pro Stunde.

Offizielle Inbetriebnahme des Schramberger Gaswerks am Rappenfelsen war am 10. November 1910. Zehn Personen arbeiteten im Zweischichtbetrieb rund um die Uhr, um die Anlage am Laufen zu halten. Mit der Eisen bahn, die direkt am Gaswerk vorbeifuhr, wurden monatlich bis zu 300 Tonnen Kohle angeliefert. Es war richtige Knochenarbeit, denn die Kohle musste von Hand in den Kohlenaufzug geschaufelt werden. Erst 1960 – fünf Jahre vor der Stilllegung der Anlage – kaufte die Stadt einen Schaufel lader und erleichterte den Männern die Arbeit wesentlich.

Aufnahme aus dem Jahr 1961: Mitarbeiter und Besucher vor dem Gaswerk.
Aufnahme aus dem Jahr 1961: Mitarbeiter und Besucher vor dem Gaswerk.

Während der Laufzeit des Schramberger Gaswerks investierte die Stadt immer wieder in technische Verbesserungen. 1925 erhielt die Allgemeine Ofen- und Apparatebau gesellschaft den Auftrag, zum Preis von 130.000 Reichsmark mehrere Erweiterungsbauten zu erstellen – die steigende Produk tion machte dies erforderlich. Aller dings meldete das Unternehmen aus Frankfurt kurz darauf Konkurs an und die städtischen Anzahlungen in Höhe von 34.000 Reichsmark waren verloren.

Besser lief es im Jahr 1940, als ein neuer Vertikalofen mit fünf Brennkammern in Betrieb genommen werden konnte. Nach dem zweiten Weltkrieg verzeichnete die Stadt einen wahren Boom bei den Absatzzahlen, sodass 1948 die Anlage um vier und 1952 um zwei weitere Kammern vergrößert wurde. Großen Wert legte der Betreiber auf die Sicherheit, während der gesamten Laufzeit des Gaswerks kam es glücklicherweise nicht zu Unglücksfällen oder größeren technischen Problemen. Das Ende der städtischen Gasproduktion nahte, als in den 1960er Jahren der Bedarf so stark gestiegen war, dass die Stadt diesen kaum noch decken konnte. Die damaligen Entscheidungs träger nutzten die Gunst der Stunde und stimmten für einen Anschluss Schrambergs an die neue Ferngasleitung der Gasversorgung Süddeutschland. Diese führte von Mannheim nach Freiburg, bei Offenburg wurde eine Abzweigung durch das Kinzig tal über Hornberg bis nach St. Georgen verlegt.

Im Jahr 1965 löschten die Arbeiter den letzten Gaskammerofen. Am 29. März 1965 gegen 10.30 Uhr löschten die Arbeiter den letzten Gaskammerofen, nach 55 Jahren endete damit die Gasproduktion am Rappenfelsen. Bürgermeister Dr. Konstantin Hank und der damalige Stadt werkeleiter Herbert Heinke gaben offiziell den Startschuss für die Ferngasversorgung, ein Kapitel Stadtgeschichte war vorüber. Die alten Gebäude hingegen blieben noch bis 1978 stehen. Sie hatten Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund ihrer architektonischen Gestaltung für Aufsehen gesorgt. Aufgrund einer Erweiterung der Kläranlage wurde das Gaswerk vor 39 Jahren schließlich abgerissen, damit waren auch die letzten Zeugen der Schramberger Gasproduktion verschwunden.

Bis heute ist der Gasverbrauch im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Schramberg kontinuierlich gestiegen. 1920 wurden rund 400.000 Kubikmeter verkauft, 1950 bereits die doppelte Menge. In den Folgejahren war ein rapider Anstieg zu beobachten bis auf 2,5 Millionen Kubikmeter im Jahr 1963. Inzwischen liegt der Erdgasabsatz bei jährlich rund 287 Millionen kWh (rund 28,7 Millionen Kubikmeter).