Schramberger Auswärts

Radball-Vergangenheit hilft auch bei Stress
Werner King: Von Sulzbach in die USA


3. September 2016. An diesem Abend schauen besonders viele Lauterbacher die Show „Klein gegen Groß“ mit Kai Pflaume. Auf der Bühne sind nämlich zwei Lauterbacher zu sehen: Die Radball-Legenden Werner und Jürgen King treten gegen zwei elfjährige Buben aus Gärtringen an, die ebenfalls leidenschaftlich Radball spielen. Luis und Loris gegen die dreifachen Weltmeister. Wer trifft häufiger in eine geöffnete Waschmaschine?

Das Fernseh-Duell „Klein gegen Groß“: Jürgen und Werner King mit den beiden Herausforderern Luis und Loris sowie Moderator Kai Pflaume.
Das Fernseh-Duell „Klein gegen Groß“: Jürgen und Werner King mit den beiden Herausforderern Luis und Loris sowie Moderator Kai Pflaume.

Während Jürgen keinen allzu weiten Weg ins Fernsehstudio hat – er lebt heute in Malsch bei Karlsruhe – reist sein Bruder Werner eigens aus dem US-Bundesstaat New Jersey an. Dort in Marlton, einer Kleinstadt in der Nähe von Philadelphia, arbeitet King als Vice President Operations für MBO America, die US-Niederlassung der Firma Maschinenbau Binder aus Oppenweiler bei Stuttgart.

Werner King ist 1961 in Lauterbach zur Welt gekommen, dort aufgewachsen und hat in der gleichen Straße gelebt, bis er 32 Jahre alt war. „Ich bin damals mit meiner Frau in ein Haus in Sulzbach gezogen.“ 1992 hatte er zunächst dort in Miete gewohnt, 1996 ein Haus gebaut und „eigentlich nie den Gedanken gehabt, da nochmal wegzuziehen“.

Doch es kam anders: Nach der Schule und der Mechanikerlehre absolvierte King die Technikerschule. Er arbeitete 17 Jahre in St. Georgen bei der Firma Mathias Bäuerle, zuletzt im Product Management. Bäuerle stellt Spezialmaschinen zum Falzen von Papier her: „Alles, was bei Ihnen im Briefkasten ist, wurde irgendwann von einer solchen Maschine bearbeitet“, sagt er. Für Bäuerle betreute King fünf Jahre lang die Kunden in den USA: „Wenn die technische Probleme hatten, habe ich sie besucht und geschaut, dass wieder alles rund läuft.“

Im Januar 2005 erreicht King ein Anruf. Er kennt den Namen des Anrufers: „Wir hatten uns schon auf Messen getroffen.“ Es ist der Geschäftsführer der Konkurrenz. Der macht ihm das Angebot, für sein Unternehmen MBO die US-Filiale zu leiten. Zufällig ist der Anrufer auch ein Lauter bacher. Der versteht, weshalb King zögert: „Ich hab‘ ein Haus in Sulzbach…“ Er könne sich den Wechsel eigentlich nicht vorstellen, verspricht aber zumindest, seine Frau Birgitta zu fragen. Und – Überraschung – die sagt: „Warum eigentlich nicht?“

Werner King fliegt mit der Familie an Ostern 2005 nach New Jersey, um sich erst mal alles anzuschauen: die Firma, Schulen, Häuser und die Gegend. Schließlich sagt der neue Chef: „Geht rüber, probiert es und wenn es Euch nicht gefällt, kommt Ihr nach sechs Monaten zurück. Arbeit hab‘ ich auch hier für Dich.“ Im Dezember packen die Kings dann alles in einen Container und im Januar 2006 in Marlton wieder aus. Das Städtchen mit 25.000 Einwohnern ist fast ein Vorort von Phila delphia, etwa 20 Auto-Minuten entfernt. Die Gegend ist relativ ländlich mit Wiesen, Wald und Seen. 45 Minuten fahren die Kings bis zum Atlantik, anderthalb Stunden bis New York. Zum Skifahren im Winter geht es in die Pocono Mountains, zweieinhalb Stunden von Marlton entfernt.

Angekommen in der neuen Heimat: Die Familie King aus Lauterbach auf der Brooklyn-Bridge in New York: Luis, Valentin Birgitta und Werner.
Angekommen in der neuen Heimat: Die Familie King aus Lauterbach auf der Brooklyn-Bridge in New York: Luis, Valentin, Birgitta und Werner.

Die beiden Buben, damals neun und vier Jahre alt, gehen gleich zur Grundschule und in den Kindergarten. Schon nach wenigen Monaten fangen sie an, Englisch zu sprechen. King selbst schafft sich rein. Er leitet als einziger Deutscher ein Team von etwa 30 Mitarbeitern, ist verantwortlich für die technische Beratung der Kunden und die Logistik. Er bestellt die Maschinen in Deutschland, stellt die Systeme nach den Bedürfnissen der Kunden zusammen und sorgt dafür, dass die Anlagen auch laufen.

Dabei hilft ihm seine sportliche Vergangenheit: „Ich habe gelernt mit Niederlagen und mit Druck umzugehen.“ Stresssituationen müsse man im Beruf und im Sport bewältigen. „Ich denke, ich gehe dann schon anders an eine Sache ran als jemand ohne diesen Hintergrund“, ist King überzeugt. Außerdem ist King durch den Radball weit herumgekommen. Mit neun Jahren hat er angefangen, nebenher aber auch noch Fußball gespielt. Erst mit 15 hätten er und sein Bruder Jürgen sich auf den Radball konzentriert. „So richtig los ging es dann mit 18, 19 Jahren“, erinnert sich King. Damals spielten die King-Brüder schon in der Bundesliga, nahmen an Deutschen, Europa- und Weltmeisterschaften teil. „In den Glanzzeiten waren wir dann an 35 Wochenenden im Jahr unterwegs.“ Freitagnachmittag ging es los und Sonntagabend waren die beiden zurück in Lauterbach: „Und am Montag haben wir wieder gearbeitet.“ Ziemlich entbehrungsreich, aber dank Radball haben die beiden die Welt bereist. 1987 waren sie in China, lange vor dem großen Aufschwung. Sie spielten in Hongkong, reisten vier Wochen durch die USA und später in Australien.

Jürgen und Werner King mit ihren Goldmedaillen bei der WM 1992. Werner King war, zusammen mit seinem Bruder, mehrfach Radball-Weltmeister.
Links: Jürgen und Werner King mit ihren Goldmedaillen bei der WM 1992. // Rechts: Werner King

Heute hat King nur noch gelegentlich mit Radball zu tun. Hier mal ein AH-Turnier in Iserlohn, da mal eine dreitägige Trainingseinheit mit Nachwuchsradballern im kanadischen Montreal. Doch dem Sport an sich ist King auch in den Staaten treu geblieben. Er läuft immer noch 15 bis 20 Kilometer die Woche. Er spielt wieder Fußball, in der „South-Jersey-über-35-Liga“ und dort in der obersten von vier Klassen, immerhin. Er geht regelmäßig ins Fitnessstudio, spielt ab und zu Tennis. Nur mit dem Radsport geht grad wenig: „Im Sommer wollte ich 1000 Kilometer machen, aber dieses Jahr hatte ich keine hundert.“

Da seine Firma für die Familie zwei Flüge pro Jahr in die alte Heimat bezahlt, haben die Kings weiterhin gute Kontakte nach Lauterbach. „An Weihnachten sind wir in der Regel zwei Wochen da.“ Außerdem fliegt er mit seinen alten Kumpels alle zwei Jahre nach Mallorca. Die Entfernung ist gar nicht so entscheidend, hat Werner King festgestellt: „Mein Bruder Jürgen wohnt in Malsch bei Karlsruhe. Er meint, ich sei öfters in Lauter bach als er.“ Außerdem haben die Kings noch das Haus im Sulzbach behalten. Wenn er dort die Landschaft anschaue, frage er sich manchmal: „Wieso sind wir eigentlich weggegangen?“

Von den Radball-Erfolgen hatten die Kollegen und Freunde in New Jersey bis vor kurzem keine Ahnung. Dass sie es erfuhren, daran sind Luis und Loris schuld, die beiden von „Klein gegen Groß“. Die hatten erklärt, sie könnten mehr Bälle im Bullauge einer Waschmaschine versenken als die Brüder King. Kai Pflaume hat die beiden eingeladen. Werner King war gleich dabei, der alte sportliche Ehrgeiz war zurück. „Das mit der Waschmaschine habe ich hier bei uns in der Firma trainiert.“ Er hat dazu ein Loch in eine Holzkiste gesägt, sich auf die Radballmaschine gesetzt und geübt. „Die Kollegen haben mitbekommen, dass ich was Komisches mache.“ King erzählte von seinem Leben vor MBO und das mit dem dreifachen Weltmeister als Chef fanden sie alle natürlich ganz toll. Das Üben an der Holzkiste war übrigens nicht erfolgreich.Klein schlug Groß mit 18 zu 12 Punkten.