Schramberger Auswärts

Wissenschaftler Christophe Neff
Feuer und Flamme für Waldbrände


Christophe Neff ist auf dem Weg in eine Lehrveranstaltung. Es ist Donnerstag nachmittag, kurz vor Ende des Semesters. Themenvergabe für das Seminar Geoökologie. „Da verteile ich Themen, die die Studenten über die vorlesungsfreie Zeit, erarbeiten müssen“, erläutert der akademische Rat am Karlsruher Institut für Technologie, kurz KIT. Seit nunmehr elf Jahren lehrt und forscht der in Schramberg aufgewachsene Wissenschaftler am KIT – der früheren Technischen Universität Karlsruhe.

Alltagsgeschäft für einen Vertreter des „Mittel baus“. Das heißt, er forscht am KIT als beamteter Wissenschaftler, unterrichtet Studenten in Geobotanik, Vegetations geographie und Landschaftsökologie. Im Winter semester sollen die Seminarteilnehmer die Ergebnisse ihrer Forschungen vortragen. Das sei „eine klassische Seminararbeit, so wie man das auch vor 30 Jahren gemacht hat.“ Bei der Geoökologie geht es um das ganze Spektrum der Umwelt: „Naturwissenschaft, Flüsse, Wälder, Wiesen, Städte. Wir beobachten, wie natürliche Prozesse funktionieren“, erläutert der promovierte Geograf.

Sein Interesse an Landschaft und Natur hat sicher etwas mit seiner Heimatstadt zu tun. Mehr noch aber mit seinen Eltern, Evelyne Marie France Neff und Winfried Neff. Die beiden waren mit ihren drei Kindern sehr viel im Wohnwagen unterwegs. „Meine Eltern sind mit uns von Sizilien bis zum Nordkap am Polarkreis gereist.“ Auch an eine ziemlich abenteuerliche Fahrt durch die DDR in den 70er Jahren erinnert sich Neff: „Mein Vater ist mit uns von Lübeck durch Mecklenburg auf der alten Transitstrecke nach Berlin gefahren, damit wir die DDR mal sehen.“ Solche Reisen haben ihm „den Weg in die Geografie“ eröffnet, ist er überzeugt.

Christophe Neff zu Hause im Garten in Grünstadt-Großkarlbach. Von hier pendelt er täglich nach Karlsruhe.
Christophe Neff zu Hause im Garten in Grünstadt-Großkarlbach. Von hier pendelt er täglich nach Karlsruhe.

Die Eltern hatten sich während eines Studien aufenthalts von Winfried Neff in Frankreich kennengelernt. Der Vater schloss danach in Tübingen sein Studium mit dem Staats examen für die Fächer Französisch, Geschichte und Politik ab. Nach dem Referendariat erhielt Winfried Neff am Gymnasium in Schramberg eine Stelle und unterrichtete bis zu seinem frühen Tod 1992 Geschichte und Französisch. Evelyne Neff arbeitete viele Jahre im Kinderhort Meierhof, engagierte sich stark in der SPD und in der Kommunalpolitik. Dank ihrer Mutter wuchsen Christophe und seine Geschwister Nathalie und Tobias zweisprachig auf, er spricht und schreibt fast perfekt Französisch.

Die Neffs wohnten auf dem Sulgen. Christophe besuchte den Kindergarten Haus Marienberg, ging in die Grundschule am Kirchplatz. „Am Gymnasium habe ich eine Ehrenrunde gedreht“, erzählt er schmunzelnd. Viel Freizeit verbrachte er im Reitverein auf dem Beschenhof. „Das war ja ein Verein im ‚Do-it-yourself-Verfahren‘.“ Die Mitglieder mussten recht viele Arbeitsdienste leisten, Heu und Stroh holen, am Wochenende für die Pferde sorgen. Auch bei der DLRG – noch im alten Freibad – war er aktiv.

1984 klappt es dann mit dem Abi. Christophe Neff zieht es aus Schramberg fort, er geht zur Bundeswehr, meldet sich frei willig zu den Fallschirmjägern und lässt sich in Nagold und Calw in der Luftlandebrigade 25 zum Reserveoffizier ausbilden. „Als ich zur Bundeswehr gegangen bin,
war ich ganz froh, dass ich aus Schramberg weg war. Aber danach bin ich umso lieber wieder zurückgekommen.“

Auf Exkursion in Sizilien mit seinen italienischen Kollegen Tommaso La Mantia und Giuseppe Garfi.
Auf Exkursion in Sizilien mit seinen italienischen Kollegen Tommaso La Mantia und Giuseppe Garfi.

Studium in Montpellier

In Mannheim und Montpellier studiert Neff Geographie und Biogeographie. In seiner Diplomarbeit in Montpellier 1993 und später in seiner Doktorarbeit geht es um ein Thema, das ihn bis heute fesselt: Waldbrände. Da wird Neff zum gefragten Fachmann, gibt Interviews im Radio und Fernsehen und schreibt Artikel für Tageszeitungen. „Waldbrände sind zumindest für die Menschen immer ein großes Problem, die Natur hingegen regeneriert sich in der Regel mehr oder weniger schnell.“ Auch in Mitteleuropa könne es Waldbrände geben, wie etwa der längst vergessene große Waldbrand von Schönmünzach im Nordschwarzwald am Beginn des 19. Jahrhunderts. „Solche Waldbrände könnten durch den Klimawandel bedingt auch im Schwarzwald häufiger auftreten“, ist Neff überzeugt.

Auch in diesem Sommer haben verheerende Feuer in Südfrankreich, Spanien und Portugal Todesopfer gefordert und Milliardenschäden verursacht. Wie man diesen Schäden vorbeugen kann oder sie zumindest verringern könnte, das beschäftigt den heute 53-Jährigen. Aber auch, wie sich die Natur nach einem Waldbrand erholt. Bei einer Fortbildungsveranstaltung im Mai 2017 am Ätna auf Sizilien hatte er die Gelegen heit, Einblick in die Forschungen italienischer Kollegen über die Vegetationsdynamik nach Vulkanausbrüchen oder Waldbränden zu nehmen. Darüber will er weiter forschen, soweit es seine Gesundheit zulässt.

Im September reiste er mit Studenten aus höheren Semestern auf die Azoren um zu untersuchen, wie sich erste Pflanzen nach einem Vulkanausbruch auf Asche oder Lava wieder ansiedeln. Der ehemalige Schramberger forscht aber nicht nur im Süden Europas, sondern auch vor seiner Haustüre: Nach den Waldbränden am Rappenfelsen und im Göttelbach 2015 kam Neff mit Studierenden in seine frühere Heimat.

Am Pico verde: Christophe Neff mit Studenten auf den Azoren.
Am Pico verde: Christophe Neff mit Studenten auf den Azoren.

Wissenschaftler in Gummistiefeln

Nach dem Wegzug seiner Mutter aus Schramberg sind die Besuche hier etwas seltener geworden. Doch wenn es passt, kommt er mit Studenten auf Exkursion ins Städtle. „In Schramberg gibt es eine sehr große Landschaftsdiversität, da kann man auf kleinem Raum viel sehen, viel erarbeiten.“ Allerdings rät er den Studenten zu Regenklamotten und Gummistiefeln: „Wenn wir Pech haben, haben wir in Schramberg in einer Woche auch zwei Regentage.“ Bei seinen Kursen am Mittelmeer „regnet es erheblich seltener“.

Ein Pflichttermin für Neff bleibt die fünfte Jahreszeit: „Die Fasnet ist schon was Besonderes. Mir gefällt besonders der Hansesprung.“ Außerdem treffe er an der Fasnet seine besten Freunde. „Da haben die Leute Zeit.“

Mit seiner Frau Carolin und zwei Kindern, Jacob Jean und Viola Veronika, lebt Neff in Grünstadt in der Pfalz. Sein Sohn macht demnächst Abitur, die Tochter wird gerade flügge. In der Kleinstadt engagiert sich der 53-Jährige in der SPD. „Da ist vielleicht etwas von meiner Mutter, meinem Elternhaus hängen geblieben.“ Als Pendler bleibe ihm nicht viel Freizeit, bedauert er. Wenn Neff etwas Luft hat, liest er und bloggt (http://cneffpaysages.blog.lemonde.fr). In seinen deutschsprachigen Beiträgen befasst er sich meist mit den Landschaften rund um Schramberg.

Spaziergang mit Tochter Viola Veronika in den pfälzischen Weinbergen.
Spaziergang mit Tochter Viola Veronika in den pfälzischen Weinbergen.

Was manchen überraschen werde, sei sein Engagement bei der Bundeswehr: „Ich bin regelmäßig auf Reserveübungen gegangen. Das klingt zwar komisch, aber ich stehe dazu.“ Nach einem kryptogenen Schlag anfall im vergangenen Winter ist sich Neff nicht sicher, ob er noch „die Power und die sportlichen Fähigkeiten“ hat, das weiter zu machen. Der Oberstleutnant der Reserve sieht seinen Einsatz nicht als Hobby, sondern als staatsbürgerliches Engagement. „Ich plädiere schon lange für mehr Geld für die Bundeswehr und die innere Sicherheit. Jetzt sind natürlich alle dafür, auch die SPD.“

Zurück ans KIT: Dort engagiert er sich hochschulpolitisch im „Konvent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Als akademischer Rat sei er ja so etwas wie ein Dinosaurier im Universitätsbetrieb. Solche Stellen gebe es kaum noch. Der „Mittelbau“ mache „alles ein  bisschen“ und sorge im Hintergrund dafür, „dass der Laden läuft“.

Für sein Seminar im Wintersemester vergibt er jetzt überwiegend Themen in Bereichen, in denen er sich wirklich kompetent fühlt, erzählt Neff noch rasch. „Es sind deshalb auch wieder Themen zum Schwarzwald und zu Waldbränden dabei.“ Wenn also demnächst wieder junge Leute mit Notizblöcken und Fotoapparat in Regenjacken und Gummistiefeln im Raum Schramberg unterwegs sind: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Christophe Neff sie in seine alte Heimat geschickt hat.

Neff faszinieren Waldbrände – und wie sich die Natur danach erholt.
Neff faszinieren Waldbrände – und wie sich die Natur danach erholt.