Schramberger Auswärts

Seit 63 Jahren in Kalifornien zuhause
Trudy Kurreck kennt die Facetten der USA


Trudy Kurreck hat es sich am Küchentisch gemütlich gemacht. Neben ihr steht eine Tasse Kaffee. Ihr Blick schweift über die Hügel von La Crescenta bis hinüber nach Los Angeles. Sie hat sich die Morgenzeitung geholt und liest.

Gerade ist sie mit ihrem Mann Wolfgang von einer großen Tour mit dem Wohnmobil zurückgekommen. „Zuerst waren wir bei der Sonnenfinsternis in Idaho, dort, wo man die Eclipse am besten sehen konnte, das war wunderschön“, ist sie noch Wochen später begeistert. In ihr makelloses Deutsch schleichen sich gelegentlich englische Wörter, kein Wunder nach 63 Jahren
in den USA.

Nach der Sonnenfinsternis bummelten die Kurrecks über Montana, Washington und Oregon wieder nach Kalifornien zurück. Die beiden Ruheständler lieben das Reisen mit dem Wohnmobil, das Rumstromern, „wo man von einem Tag zum anderen nicht weiß, wo man hinkommt.“ So  haben die beiden schon alle US-Bundesstaaten einschließlich Alaska erkundet.

Entspannt im Schatten unter Bäumen: In diesem Sommer fuhren Trudy und Wolfgang Kurreck auch nach Utah.
Entspannt im Schatten unter Bäumen: In diesem Sommer fuhren Trudy und Wolfgang Kurreck auch nach Utah.

Als Teenager in die USA

In die USA kam Trudy Kurreck als Teenager. Sie wollte ordentlich Englisch lernen und eigentlich nur zwei Jahre bleiben. „Damals konntest du nicht als au pair gehen für ein oder zwei Jahre, du musstest auswandern, da gab es keine andere Möglichkeit.“ Drei ihrer Onkel waren schon   „drüben“ in New York und New Jersey. Sie ist dann im Urlaub mal nach Kalifornien gefahren, um sich das anzuschauen „und jetzt bin ich heute noch da“, lacht sie.

Gearbeitet hat sie damals bei einer großen Firma an einer Hollerith-Maschine, einem Vorläufer heutiger Computer, die mit Lochkarten funktionierte. „Das hatte ich ja schon in Schramberg gemacht.“

Abschied von Junghans: Vor der großen Reise versammeln sich die Kolleginnen und der Meister zum Abschiedsfoto.Nach der Ankunft 1954 in New York heißen Onkel, Tante und Neffen Trudy Kurreck willkommen.
Abschied von Junghans: Vor der großen Reise versammeln sich die Kolleginnen und der Meister zum Abschiedsfoto. Nach der Ankunft 1954 in New York heißen Onkel, Tante und Neffen Trudy Kurreck willkommen.

Als Trude Geigis ist sie in der Landenbergerstraße 3 aufgewachsen, ging zunächst in die Burgschule und später in die Berneckschule. Im zweiten Weltkrieg und in den Nachkriegsjahren war oft an normalen Unterricht nicht zu denken. An die letzten Tage des Kriegs erinnert sie sich
noch gut: Zu Hitlers Geburtstag habe sie ein Gedicht gelernt: „Ich glaube felsenfest an den  Sieg…“ Das habe sie zuhause vorgetragen. „Da hat mein Vater gesagt: ‚Ja, ja kannsch ihm ruhig einen Gruß von mir ausrichten, da kannsch noch lange warten.‘“ Am 20. April rückten marokkanische Soldaten in Schramberg ein.

Den Einmarsch der französischen Armee erlebte sie im Keller ihres Wohnhauses. „Da waren nur Frauen und Kinder.“ Der Vater war beim Volkssturm auf dem Schlossberg. Doch die Männer erkannten, dass das alles sinnlos war, und sie bekamen den Befehl, nach Hause zu gehen und sich um ihre Familien zu kümmern.

Da lässt es sich aushalten: Lunch auf der Terrasse in La Crescenta.
Da lässt es sich aushalten: Lunch auf der Terrasse in La Crescenta.

Unterricht nur sporadisch

Nach dem Krieg hatten die Franzosen die Schulen besetzt. Unterricht fand nur sporadisch statt. „Zweimal pro Woche mussten wir in den Wartesaal vom Bahnhof. Da kam das Fräulein Aberle und hat uns die Aufgaben gegeben und schlecht und recht zwei Jahre unterrichtet.“ Nach dem Volksschulabschluss arbeitete Trudy Kurreck bei Junghans, auch dort gab es schon eine Lochkartenmaschine von Hollerith.

Ihren späteren Mann Wolfgang hat Trudy Kurreck in Los Angeles kennengelernt. Aber „schuld“ war ein Schramberger. Dort in Los Angeles organisierte eine Gruppe junger Deutscher samstagabends immer einen Tanzabend. Eines Abends fordert ein junger Mann Trudy zum Tanzen auf, die beiden kommen ins Plaudern: „Wo kommst Du her?“ – „Aus dem Schwarzwald, aus Schramberg, aber das kennt kein Mensch.“ – „Mein Freund kommt auch aus dem Schwarzwald und auch aus Schramberg.“ Dieser Freund war Peter Fuss, der im Tierstein aufgewachsen ist. Und Peter Fuss hatte einen Arbeitskollegen, Wolfgang Kurreck… „Wir sind jetzt seit 56 Jahren verheiratet“, strahlt Trudy. Die beiden haben einen Sohn, der inzwischen auch schon im Ruhestand ist und zwei Enkelkinder.

Die ganze Familie Kurreck im Sommer in Montana.
Die ganze Familie Kurreck im Sommer in Montana.

Nach der Familienphase arbeitete Trudy Kurreck für Niederlassungen zweier deutscher Firmen in den USA, die letzten fünf Jahre vor der Rente bei Lavi Industries. „Die stellen die Pfosten und  Absperrbänder her, wenn man am Flughafen Schlange steht.“ Ihr Mann Wolfgang war Schreiner von Beruf und hat eine große Schreinerei geleitet. „Er ging mit 61 in Ruhestand und dann hatten wir natürlich mehr Zeit zum Reisen.“

Besuche in der alten Heimat

Auf Heimatbesuch an der Fasnet 1998.

Immer mal wieder schaut sie auch in Schramberg vorbei. Zum 40er Fest und auch zum 70er Fest war sie da, hält Kontakt per E-Mail und das Internet: „Ich weiß genau, was bei Euch los ist.“ Auch dank der Webcam am Rathaus. Über die Lokalpolitik ist Kurreck ebenfalls bestens informiert: „Eine Landesgartenschau, das wäre ja schön.“ Als sie vor einem Jahr im Städtle war, hat sie sich über die vielen Veränderungen gefreut: „Der Rathausplatz hinten ist ja ganz toll. Kaum zu glauben, wie der früher ausgesehen hat.“ Gute Erinnerungen hat die gebürtige  Schrambergerin an die Fasnet, auch ihr Sohn und seine Familie waren schon mal dabei.

Doch bei allen Verbindungen in die alte Heimat: Kalifornien und der Gegend um Los Angeles  werden die Kurrecks treu bleiben. Trotz der dramatischen Waldbrände, die alljährlich in Kalifornien wüten. Die Kurrecks mussten schon zwei Mal ihr Haus verlassen, hatten aber jedes Mal Glück.

1976 und vor fünf Jahren kamen die Flammen gefährlich nahe. Beim letzten Mal seien sie gerade von einer Reise zurückgekehrt, konnten aber nicht in ihr Haus: „Die ganze Gegend war evakuiert, und wir haben dann im Fernsehen zugeschaut, ob unser Haus noch steht.“ Die Feuerwalze hatte sich einen anderen Weg gesucht. Dennoch: „Als wir angekommen sind, war alles schwarz.“ Doch mit kalifornischem Optimismus sieht Kurreck das gelassen: „Nach zwei Jahren sieht man überhaupt nichts mehr.“ Die Gräser sprießen, und die Natur scheint sich angepasst zu haben.

Beeindruckender Blick auf Los Angeles, die weltberühmte Metropole in Kalifornien.
Beeindruckender Blick auf Los Angeles, die weltberühmte Metropole in Kalifornien.

Weniger gelassen reagiert die 80-Jährige wenn die Rede auf die aktuelle Politik kommt. Sie ist tief enttäuscht und sauer auf das US-Wahlmännersystem. Das stamme aus der Sklavenhalterzeit und führe dazu, dass die Mehrheit der Wählerstimmen nicht reicht, um Präsident zu werden. Clinton bekam drei Millionen Stimmen mehr als Trump.

Bei der Wahl vor einem Jahr dachte sie: „Ich hör‘ und seh‘ nicht richtig. Wie so etwas zustande kommen konnte, kann ich mir immer noch nicht erklären.“ Im Moment wolle keine der beiden Parteien, Republikaner oder Demokraten, nachgeben. Vor 50 Jahren sei das anders gewesen. „Der Wahlkampf war immer schon drastisch, aber nachher sind sie alle zusammengekommen und haben gemeinsam gearbeitet.“

Und was hält sie von Präsident Donald Trump? Trudy Kurreck lässt die Zeitung sinken. „Soll ich richtig sagen, was ich denke?“ – „Na, klar!“ Sie sagt ein Wort, das einer 80-jährigen Dame nur  schwer über die Lippen kommt: „Sch…“.