Schramberger Auswärts

Nach der Lehre gleich übern großen Teich
Philipp Pfaff: Jungfacharbeiter bei Kern-Liebers


Wenn Phillipp Pfaff in der Albon Road 1510 an seinen Arbeitsplatz kommt, macht er zunächst einmal das Licht an. Arbeitsbeginn ist offiziell um 7 Uhr. „Ich komme aber meistens 20 Minuten früher. Da ist noch niemand im Werkzeugbau.“ Seit Anfang des Jahres arbeitet der Jungfacharbeiter im US-amerikanischen Zweigwerk der Firma Kern-Liebers in Holland (Ohio) als Werkzeugmechaniker Stanz- und Umformtechnik. Er ist verantwortlich für eine Drahtschneidmaschine und kümmert sich um die Stanzwerkzeuge im Betrieb.

Sein erster Weg führt Philipp Pfaff zu seiner Drahtschneidmaschine. Er prüft, ob die Produktion über Nacht gut gelaufen ist, und bereitet die Arbeiten für den Tag vor. „Ich kann entscheiden, wann ich was schneiden möchte.“ Der Computer zeigt ihm, wie lange welcher Auftrag dauert und wie viel Draht er dafür braucht. „Dann spanne ich mein Teil ein, checke die Maschine, damit auch alles 100-prozentig funktioniert.“ Wenn die Kollegen eintreffen, hat Pfaff schon den ersten Teil seines Jobs erledigt. „Ich will niemandem zu nahetreten, aber die Arbeitsmentalität ist ein Stück weit eine andere“, sagt der 20-jährige Schramberger selbstbewusst.

Neben „seiner“ Drahtschneidmaschine kümmert sich Pfaff auch um die Stanzwerkzeuge aus der Produktion. Da muss er die Werkzeuge auseinandernehmen und nachschleifen. „Jeder Stempel, jede Schneidkante wird geprüft.“

Zu seinen Arbeitskollegen hat der Schramberger ein sehr gutes Verhältnis.
Zu seinen Arbeitskollegen hat der Schramberger ein sehr gutes Verhältnis.

Nach der Schule zu Kern-Liebers

Wie das geht, hat Philipp Pfaff während seiner Ausbildung auf dem Sulgen gelernt. Nach der Realschule hatte er sich auf eine Lehrstelle bei Kern-Liebers beworben und wurde gleich genommen. In der Ausbildung fühlte er sich „von Anfang an mega-wohl“.

Zur Welt kam er in der Tiersteinstraße, mit seinen Eltern Heide und Friedrich Pfaff zog er noch als Säugling ein paar Häuser weiter. In seinem ersten Lebensjahr stellten die Ärzte bei ihm Diabetes Typ 1 fest: „Meine Bauchspeicheldrüse schüttet kein Insulin mehr aus.“ Insulin aber ist lebenswichtig. Als Kind muss Phillipp einzelne Spritzen mit Insulin injizieren, die er genau dosiert. Mittlerweile hat der junge Mann eine Insulinpumpe, die alle drei Minuten eine ganz geringe Menge Insulin abgibt. „Ich esse, so viel ich will, und kann mein Leben ganz normal leben. Ich gehe praktisch jeden Tag ins Fitnessstudio. Bank drücken, Bizeps, Trizeps, Rücken, Beine.“ Am Abend ist er oft noch joggen, schwimmen oder mit dem Skateboard unterwegs.

Der „kleine Philipp“ ist in der Tiersteinstraße aufgewachsen und wurde an der Graf-von-Bissingen-Schule eingeschult.Philipp Pfaff als kleiner Junge
Der „kleine Philipp“ ist in der Tiersteinstraße aufgewachsen und wurde an der Graf-von-Bissingen-Schule eingeschult.

Nach einer „tollen Grundschulzeit“ an der Graf-von-Bissingen-Schule mit netten Lehrerinnen wechselt er zunächst auf die Realschule nach Dunningen, dann nach Schramberg. In der evangelischen Kirche findet er Freunde, macht Messdienst, hält Schriftlesungen und sammelt fleißig Aktivpunkte. „Ich habe damals meinen besten Freund gefunden, den Frank Hafner, der mit dem Cello.“ In jener Zeit beginnt er auch Longboard und Skateboard zu fahren.

Seinen Ausbildungsplatz hat Philipp Pfaff ganz bewusst gewählt. „Ich wollte meinen Beruf von Grund auf lernen. Es fängt ja an mit Feilen, Sägen, Bohren, Anreißen.“ Tätigkeiten, die im späteren Berufsleben weniger eine Rolle spielen. Aber die man gemacht haben muss um zu wissen, wie sich ein Stahlblock bei Wärme und Kälte verhält oder wenn man ihn fräst oder dreht. Pfaff begeistert sich für den Werkstoff Stahl, will praktisch arbeiten.

Exkurs in die USA

Ein Weltkonzern wie Kern-Liebers bietet dann auch besondere Chancen. Schon im zweiten Lehrjahr kommt das Thema USA auf. Die Firma überlegt, Azubis im Rahmen eines Austauschprogramms in die USA zu schicken. Auch früher seien Facharbeiter aus Schramberg in die ausländischen Zweigwerke gegangen, um dort ein oder zwei Monate Anlagen anzufahren, weiß Philipp Pfaff. Aber bei ihm beginnt dies schon während der Ausbildung: Sprachunterricht und Zusatzschulungen speziell für die Drahtschneidmaschinen. „Im April 2017 sind wir rüber geflogen, um uns die Firma, die Apartments, die Gegend schon mal anzuschauen.“ So wissen die jungen Leute, worauf sie sich beim Abenteuer USA einlassen.

Das beginnt mit 22 Grad Minus und heftigem Schneetreiben. Am 3. Januar ist im Nordosten der USA tiefster Winter. „Wir haben eine Nacht geschlafen und am nächsten Tag ging es gleich los mit Arbeiten.“ In Holland im Bundesstaat Ohio einem Stadtteil von Toledo mit etwa 1300 Einwohnern, beschäftigt Kern-Liebers knapp 50 Mitarbeiter. Sie fertigen Clips und Federn hauptsächlich für die Automobilindustrie. In dem kleinen Betrieb herrscht ein recht familiäres Verhältnis. Das sei schon „anders als auf dem Sulgen mit mehr als 1400 Mitarbeitern“, sagt der gebürtige Schramberger.

Die Skyline von Toledo, der Stadt im Nordwesten von Ohio mit 280.000 Einwohnern.
Die Skyline von Toledo, der Stadt im Nordwesten von Ohio mit 280.000 Einwohnern.

Ein Thema jedoch ist tabu: Politik. „Bei der Arbeit sollte die Politik keine Rolle spielen“, findet Pfaff, „man muss mit jedem zusammenarbeiten können.“ Wenn er erfährt, dass der Kollege oder der Nachbar Trump gewählt hat, spricht er lieber nicht darüber. „Du weißt nicht, worauf du dich einlässt“. Kritik nehmen die Trump-Anhänger sehr persönlich. Bei jüngeren Leuten sei das anders, die hätten meist keine so gute Meinung über ihren Präsidenten. Weil die amerikanischen Medien sehr stark polarisieren, schaue er mit seinem Mitbewohner deshalb im Fernsehen meist nur Sport. Für die Nachrichten geht er ins Internet und klickt die Mediatheken von ARD und ZDF an: „Denen vertraue ich mehr.“

Philipp Pfaff wohnt in einem Apartmentblock aus 40 Gebäuden mit jeweils sechs Apartments. Mit einem Kollegen teilt er Küche und Wohnzimmer.
Philipp Pfaff wohnt in einem Apartmentblock aus 40 Gebäuden mit jeweils sechs Apartments. Mit einem Kollegen teilt er Küche und Wohnzimmer.

In Holland lebt Pfaff in einem Apartmentblock aus 40 Häusern mit je sechs Apartments. Mit seinem Kollegen teilt er sich Küche und Wohnzimmer, jeder hat ein eigenes Schlafzimmer mit Bad. Er ist selten alleine, immer wieder schauen Freunde und Bekannte vorbei. „Im Sommer bleibt der Fernseher schon mal wochenlang aus.“ Abends dreht der gebürtige Schramberger gerne ein paar Runden im Swimmingpool neben dem Haus oder entspannt im Liegestuhl.

Gute Lebensmittel und Fleisch, gar in Bioqualität, sind in den USA teuer. Bei McDonalds oder Burger King war er noch kein einziges Mal. Es gebe aber auch ordentliches Fast Food. Für die Mittagspause besorgen sich die Kern-Liebers Mitarbeiter bei einem kleinen Laden um die Ecke Sandwiches und Salate. Manchmal kocht Philipp Pfaff auch selbst etwas, Reis und Gemüse, oder er geht mit Freunden in ein Steakhouse.

Gerne nochmal ins Ausland

Ende des Jahres läuft Pfaffs Arbeitsvisum ab. Dann möchte er ein, zwei Jahre arbeiten, Geld verdienen für die eigene Wohnung und ein Auto. Danach will er die Technikerschule besuchen und hofft auf eine Karriere als Teamleiter. Den ganzen Tag im Büro zu verbringen, das wäre nicht sein Ding. Er will praxisorientiert bleiben, mit Menschen zusammenarbeiten. Auch einen weiteren Auslandseinsatz kann er sich gut vorstellen, nicht für fünf Jahre, aber ein paar Monate oder ein halbes Jahr. „Da hält mich nichts davon ab, noch mehr zu erleben und Erfahrungen zu sammeln. Das schadet nie.“

In den USA hat Philipp Pfaff Freundschaften geknüpft.
In den USA hat Philipp Pfaff Freundschaften geknüpft.

Zurück im Betrieb: Die Werkzeuge für die Nachtschicht sind gerichtet, die Drahtschneidmaschine läuft, alles in Ordnung. Um 15.30 Uhr ist Feierabend. Aber Philipp Pfaff bleibt meistens bis 16 Uhr, bis alles fertig und aufgeräumt ist. „Ich möchte heimgehen und stolz sein auf das, was ich an dem Tag gemacht habe.“ Ein schwäbischer Schaffer eben.