Schramberger Auswärts

Nach einem Jahr im „Tafelspitz-Guide“
Johannes Dietrich lebt für sein Gasthaus


Er hätte mit seiner Ausbildung einen schönen Bürojob mit Acht-Stunden-Tag haben können – und jetzt steht er „Minimum 14 Stunden“ täglich im Betrieb, seinem Betrieb. Dennoch ist das sein Traumjob. Wobei er einschränkt „mit Fluch und Segen“. Johannes Dietrich ist seit knapp einem Jahr Chef der „Schlosstaverne Lunz“, einem kleinen, aber feinen Landgasthof ihn Österreich. Gemeinsam mit seiner Partnerin Jasmin Epting hat Dietrich die Schlosstaverne in einem kleinen Ort in Niederösterreich, nahe der Grenze zur Steiermark, etwa in der Mitte zwischen Salzburg und Wien, eröffnet. Die beiden haben es in dieser kurzen Zeit geschafft, in den „Tafelspitz-Guide“ aufgenommen zu werden. Darin sind die 350 besten Wirtshäuser Österreichs verzeichnet.

Johannes Dietrich und Jasmin Epting betreiben seit knapp einem Jahr mit großem Erfolg die Schlosstaverne in Lunz am See, einem kleinen Ort in Niederösterreich.
Johannes Dietrich und Jasmin Epting betreiben seit knapp einem Jahr mit großem Erfolg die Schlosstaverne in Lunz am See, einem kleinen Ort in Niederösterreich.

Sein Arbeitstag beginnt gewöhnlich um neun. Das klingt human. Aber: „Bis ich nachts den Schlüssel rumdrehe, ist es meistens 12.“ In der Schlosstaverne managt Dietrich den gesamten Servicebereich, Jasmin Epting verantwortet die Küche. Eigentlich wollte Dietrich, dessen Eltern in Schramberg das Optikfachgeschäft Brillen-Lehmann führen, Förster werden: „Das war mein Traum, seit ich fünf Jahre alt war.“ Draußen in der Natur sein, im Wald, Tiere. Doch die Liebe hat seine Pläne durchkreuzt. Aber der Reihe nach:

Der kleine Johannes als Clown geschminkt an der Fasnet.
Der kleine Johannes als Clown geschminkt an der Fasnet.

Johannes wächst in Weiler auf, geht dort in den Kindergarten und später in Burgberg in die Grundschule. Weil seine Eltern in Schramberg arbeiten, ist er viel im Städtle unterwegs. An der Musikschule hat er Klavier unterricht, im Tischtennisverein auf dem Sulgen spielt er aktiv. In Königsfeld besucht er das Gymnasium. Nach dem Abi macht er Zivildienst, pflegt in einem Heim für Multiple-Sklerose-Kranke schwerstbehinderte Menschen. „Das war eine ganz wichtige Erfahrung und hat mein Nervenkostüm extrem gestärkt.“ Das braucht er heute in seinem Beruf. „Egal was ist, im Service hat man immer gute Laune und ist immer freundlich am Gast. Da muss man nervlich schon gut beieinander sein.“

Schon damals waren Jasmin und er ein Paar. Sie hatten sich während ihrer Schulzeit in  Königsfeld kennen gelernt. Nach dem Zivildienst geht Dietrich zum Studium nach Friedberg bei Frankfurt, schreibt sich aber nicht bei den Förstern, sondern bei Laserphysik ein. Die Berufsaussichten für den Forst bereich waren zu dieser Zeit nicht so rosig. Doch nach dem Vordiplom wechselt er das Fach: „Ich habe gemerkt, dass das mit der Laserphysik nichts für mich ist. Immer am Computer sitzen, das ist so langweilig.“

Dietrich wechselt Fach und Ort und studiert in Erfurt an der Fachhochschule Forstingenieurwesen. Er erinnert sich gerne an diese Zeit. „Morgens Theorie und nachmittags draußen im Wald, wir unternahmen Exkursionen, machten Versuche oder Messungen.“  Unterdessen hat Freundin Jasmin ebenfalls das Abitur bestanden und absolviert eine Ausbildung zur Köchin am Öschberghof in Donaueschingen. Anschließend studiert sie Hotel- und Gastronomiemanagement.

Nun hätten beide also gute Chancen auf einen geregelten Arbeitstag als Angestellte, sie in einem großen Hotel, er in einer Forstbehörde. Doch es kommt anders: Jasmin hat nach dem Studium gemerkt, die Küche, das ist ihre Leidenschaft. Da will sie sich verwirklichen. Also kehrt sie an die gastronomische Front zurück und arbeitet wieder als Köchin. „Wir haben gemerkt, wenn ich mit normalen Arbeitszeiten arbeite und sie in der Gastronomie, dann ist das schwierig.“ Die beiden sahen sich eigentlich nur noch beim Schlafen gehen. „Das wollten wir nicht und haben uns gesagt, wir wollen mal zusammen was probieren.“

Idylle pur: Die Schlosstaverne im Winter, umgeben von unberührter Natur.
Idylle pur: Die Schlosstaverne im Winter, umgeben von unberührter Natur.

Der Zufall will, dass vor bald zehn Jahren ein Team aus Österreich den Brillen-Laden der Dietrichs in der Hauptstraße ganz neu gestaltet. Man freundet sich an, und eines Tages meldet sich der Österreicher mit dem Tipp, dass in seinem Heimatort Lunz ein Gasthaus schon seit drei Jahren leer stehe. Die beiden fahren nach Lunz und schauen sich die Schlosstaverne an: „Der erste Gedanke war: ‚Oh je‘“, erinnert sich Dietrich. Drei Jahre lang stand das Haus leer, die Holz böden waren aufgequollen, die Wände feucht und modrig.

Doch die beiden bereden sich mit dem Verpächter, entwickeln ein Konzept. Der Besitzer, Jasmin und Johannes nehmen eine Menge Geld in die Hand und lassen das Haus komplett renovieren. In der Zwischenzeit lernt Dietrich, was ihm noch fehlt: bedienen. Einen Betrieb zu führen, das hatte er in seinem Studium als Forstingenieur gelernt, aber die spezifischen Kenntnisse für die Gastronomie holt er sich in der alten Heimat: „Ich habe bei Tom in Halbmeil im ‚Löwen‘ fast ein dreiviertel Jahr ein Praktikum gemacht.“ Er lernt den Service von der Pike auf, eindecken, Gäste begrüßen, servieren. Doch das Wichtigste „am Gast“, das konnte er vorher schon: Mit Menschen umgehen.

Nach dem Praktikum ist auch die Taverne in Lunz fertig: Die Küche ganz neu, der Gastraum umgestaltet, die fünf Gästezimmer sind auf Vordermann gebracht. Seit August 2016 ist die Schlosstaverne geöffnet und hat nach nicht einmal einem Jahr schon einen sehr guten Ruf. Wer am Wochenende dort essen will, sollte vorher unbedingt einen Tisch reservieren. Wie schafft man das? „Wir haben ein Konzept, das wir von Anfang an durchgezogen haben.“ Da gehe es ums Design des Hauses, das Ambiente, aber besonders um die Speisen, die Jasmin kocht. „Das ist etwas anderes als das, was die Leute in dieser ländlichen Gegend von den traditionellen Wirtshäusern her kennen. Bei uns gibt es keinen Schweinsbraten und nicht nur Schnitzel“, so Dietrich.

Der neugestaltete Innenraum lädt mit gemütlichem Ambiente zum Essen ein.
Der neugestaltete Innenraum lädt mit gemütlichem Ambiente zum Essen ein.

Hinzu kommt, dass ein kleines und junges Team in der Schlosstaverne arbeitet. Neben Jasmin Epting und Johannes Dietrich die Konditorin Regina Hänsel und die Reinigungskraft Silvia Heim. „Regina und Jasmin haben zusammen im Öschberghof gearbeitet und eines Tages kam Regina zu Besuch“, erzählt Dietrich. Es habe ihr so gut gefallen, dass sie bald darauf nach Lunz gewechselt sei. Die beiden arbeiten in der Küche. Mittlerweile hat die Studienfreundin und beste Freundin des Paares, Jasmin Stürmer in der Schlosstaverne angeheuert. Dank Jasmins  umfassender Ausbildung schaffen sie es, auch 35 Gäste, die gleichzeitig bestellen, zufrieden zu stellen.

Dietrich ist nach eigenen Worten „ein bisschen ein Kontrollfreak“. Deshalb will er zunächst den Servicebereich weiter allein verantworten. Sein Traumjob? Johannes Dietrich zögert lange. „Ja, aber mit Fluch und Segen.“ Der Segen ist, sein eigener Chef zu sein. Der Fluch die lange Arbeitszeit. Dann sehnt sich Dietrich schon mal nach seinem freien Tag, denn: „Meine größte Leidenschaft ist fischen gehen am See, der beste Ausgleich, den ich hier habe. Wenn ich alleine zwei drei Stunden auf dem See sein kann, habe ich wieder genug Energie für eine Woche getankt.“

Der Lunzer See ist nur einen Steinwurf von der Schlosstaverne entfernt.
Der Lunzer See ist nur einen Steinwurf von der Schlosstaverne entfernt.