Schramberger Auswärts

Ob Phantom oder Firmenjet:
Thomas Schaible kennt die Welt von oben


Fast die ganze Welt hat Thomas Schaible schon gesehen – das meiste davon von oben. Seit 15 Jahren fliegt der ehemalige Kampfpilot der Bundeswehr Privatleute rund um den Globus, darunter Politiker, Schauspieler, Sängerinnen, Boy-Groups und überraschend höfliche Heavy Metal Rocker. „Das sind ganz zuvorkommende Leute, die sich über Kaffee und Kuchen an Bord freuen“, sagt der 56-Jährige und lacht. Vor allem weibliche Stars hätten dagegen durchaus mal Extrawünsche, verlangen Fiji-Wasser anstatt handelsüblichem. Negative Erfahrun gen hat er aber bisher nie gemacht, im Gegenteil: Wenn er Glück hat, wird Thomas Schaible von seinen prominenten Fluggästen schon mal spontan zum Konzert eingeladen.

Thomas Schaible und „sein“ Arbeitsgerät: Der 56-jährige Pilot fliegt ein Embraer Legacy 600 Geschäftsreiseflugzeug mit rund 6000 Kilometer Reichweite.
Thomas Schaible und „sein“ Arbeitsgerät: Der 56-jährige Pilot fliegt ein Embraer Legacy 600 Geschäftsreiseflugzeug mit rund 6000 Kilometer Reichweite.

Jugendtraum erfüllt

Seine Leidenschaft fürs Fliegen entdeckte der gebürtige Schramberger auf dem Flugplatz in Winzeln. „Ich wollte schon früh Pilot werden“, erinnert sich Thomas Schaible. Als Kind baute er Flugzeugmodelle, verfolgte bei jedem Familienspaziergang in Win zeln mit großen Augen, wie sich die Se gelflieger in die Luft schwangen. Einen anderen typischen Jungentraum? Gab es nicht.

Mit 13 Jahren begann er auf dem Sonderlandeplatz mit dem Segelfliegen. „Ich habe mir alles selbst verdient, mit Reparieren von Segelflugzeugen in der Winterpause und dem Waschen von Motorflugzeugen“, sagt er. Jede freie Minute verbrachte Thomas Schaible in der Luft. Bald stieg er vom Segelflugzeug auf Motorsegler um. Seinen Motor flugschein legte er mit 18 ab – fast zeitgleich mit dem Autoführerschein. Nachmittags nach der Schule flog er zum Beispiel Geschäftsleute in deren Maschinen zu Terminen, um Erfahrung zu sammeln, eben so schleppte er Segelflugzeuge in die Luft.

Nach dem Abitur 1982 am Schramberger Gymnasium packte Thomas Schaible seine Koffer und verpflichtete sich bei der Bundeswehr, genauer bei der Luftwaffe. Dass er nicht bei einer Airline arbeiten wollte, war ihm zu diesem Zeitpunkt schon lange klar: „Das Fliegen im Kampfjet ist herausfordernder, anspruchsvoller“, erklärt er. „Bei einer zivilen Fluggesellschaft sind Start und Landung das Schwierigste. Bei der Luft waffe ist es genau andersherum: Das Fliegen ist das Wichtigste. Es war genau das, was ich machen wollte.“

Bei der Ausbildung auf einem Kampfjet im Jahr 1986 in Texas.
Bei der Ausbildung auf einem Kampfjet im Jahr 1986 in Texas.

Bis er zum ersten Mal hinterm Steuerknüppel eines solchen Jets Platz nehmen konnte, dauerte es allerdings. Zunächst standen zahllose Offiziersbewerbertests an: medizinische, psychologische, fitnessorientierte und für Piloten zusätzlich solche, die sich mit Koordination und Merkfähigkeit befassten. „Nur zwei von 100 Bewerbern sind damals später tatsächlich im Kampfjet geflogen“, erinnert sich Schaible.

Ausbildung in Texas

Er selbst gehörte dazu. Nach zwei Jahren Ausbildung entschied die Luftwaffe, dass aus dem jungen Mann ein Jetpilot werden sollte. „Damit begann dann die richtige Ausbildung“, berichtet er. Dafür zog der gebürtige Schramberger 1985 in die USA – denn die folgende NATO-Ausbildung fand auf einer riesigen Airforce Base in Texas statt, gemeinsam mit angehenden Piloten aus Norwegen, Italien, Amerika und weiteren NATO-Mitgliedsstaaten. Im Düsenflugzeug übte Thomas Schaible hier Kunstflug, Loopings, Steilkurven, Formationsflüge, Tiefflug – den Fluglehrer zuerst neben, auf dem Überschalltrainer T-38 dann hinter sich. „Jeder Flug wurde benotet, in vielen Klassen schafften es 50 Prozent der Anwärter nicht“, erzählt Schaible. Nebenbei paukte er Theorie: Navigation, Wetterkunde und mehr.

Maßarbeit über den Wolken: Luftbetankung eines Düsenjets.
Maßarbeit über den Wolken: Luftbetankung eines Düsenjets.

Er selbst hatte fliegerisch keine Probleme. Trotz des enormen Leistungsdrucks. „Es war ein tolles Erlebnis – es war alles, was ich immer wollte.“ Thomas Schaible schnitt gut genug ab, um sich aussuchen zu dürfen, welchen Flugzeugtyp er fliegen möchte und entschied sich für die „Phantom“: ein zweisitziges, zweistrahliges, Allwetter- und überschallfähiges Kampfflugzeug, „zu meiner Zeit das heißeste, was die Luftwaffe zu bieten hatte. Und auch wenn es irgendwann Routine geworden ist: Das erste Mal in einer Phantom war ein Traum. Darauf hatte ich mein Leben lang hingearbeitet.“

Bis Weihnachten 1986 absolvierte er in Kalifornien die Phantomausbildung mit Luftkampf, Luftbetankung, Abfangjagd, Bomben werfen. Danach wurde er zum Jagdbombergeschwader 36 „Westfalen“ auf den Luftwaffenstützpunkt Rheine-Hopsten in Nordrhein-Westfalen versetzt, den es heute nicht mehr gibt. Wie ein ganz normaler Job hört es sich an, wenn Thomas Schaible seinen damaligen Alltag beschreibt: Arbeit im Zweischichtsystem, entweder früh oder spät, ein Haus mit Garten außerhalb des Arbeitsplatzes, Familienleben. Nur, dass er statt Fräsmaschinen eben Kampfjets bediente. Selbst die große Angstvorstellung vieler Fluggäste, ein Triebwerksausfall, war für ihn eher Business as usual: „Dass ein Triebwerk mal ausgefallen ist, war während Luftkampfübungen häufiger der Fall. Das haben wir auch ständig im Simulator geübt.“

Einsätze in Kriegsgebieten hatte Thomas Schaible nicht. Der Kalte Krieg eskalierte nicht, die Phantompiloten wurden in anderen Kampfgebieten wie dem Balkan nicht ein gesetzt. Schaible wurde stattdessen Fluglehrer und Flugsicherheitsoffizier und damit ideal geeignet für die Leitung des deutschen Gefechtsstands auf der Decimo mannu Airbase in Sardinien, die er vier Jahre lang innehatte. Seine beiden Söhne wurden in dieser Zeit eingeschult und besuchten die deutsche Schule auf der italienischen Mittelmeerinsel. Hier verbrachte Thomas Schaible nicht nur Zeit über den Wolken, sondern auch unter Wasser: Er entdeckte seine Leidenschaft fürs Tauchen. Vier Jahre lang leitete er den deutschen Gefechtsstand in Sardinien, mit 41 Jahren ging er, wie bei den Piloten der Luftwaffe üblich, in Pension.

Pilot von Privatjets

Dann die spannende Frage: Wie geht es beruflich weiter? „Ich wollte nicht zu einer Airline, wie es viele meiner Kameraden taten“, erzählt der Schramberger. „Ich fand die Geschäftsfliegerei interessanter.“ Seit 2003 ist er in diesem Bereich tätig – inzwischen für ein internationales Unternehmen mit Hauptsitz in London und mehreren hunderttausend Mitarbeitern. Er fliegt die Geschäftsführer zu Terminen, überwiegend aber werden die Maschinen verchartert, zum Teil mit Weltstars und Prominenten an Bord – darunter auch ehemalige Regierungschefs und Präsidenten.

Thomas Schaible und seine Crew auf einem Flug: Co-Pilot Philipp Jahn und die Flugbegleiterin Tatiana Sanchez bilden mit ihm das Team.
Thomas Schaible und seine Crew auf einem Flug: Co-Pilot Philipp Jahn und die Flugbegleiterin Tatiana Sanchez bilden mit ihm das Team.

Am Anfang erforderte das einiges an Umstellung: „Es ging alles plötzlich sehr langsam“, schmunzelt Thomas Schaible. Obwohl „sein“ Jet auch locker 980 Stundenkilometer erreicht. Dafür benötigte er aber eine spezielle Ausbildung, um den Flughafen, der mitten in der Millionenmetropole London liegt, anfliegen zu können. Loopings fliegt er inzwischen zwar nicht mehr, aber langweilig ist ihm auch in seinem neuen Job nicht. „Ich habe bei der Luftwaffe alles erlebt, was man erleben kann. Und auch die Businessflüge sind abwechslungsreich. Man fliegt zu vielen Orten, die man noch nie gesehen hat.“ Weit vorausplanen kann er nicht. Sein nächster Flugplan: London, Alicante, Moskau – und dann mal sehen.

Landeanflug auf den Flughafen in London – dafür benötigte der Pilot eine spezielle Ausbildung.
Landeanflug auf den Flughafen in London – dafür benötigte der Pilot eine spezielle Ausbildung.

Zwischen den Flügen erholt er sich bei seiner Familie auf dem eigenen alten Bauernhof mit Riesengarten in der Nähe von Osnabrück, wo er seit 2009 mit seiner Frau lebt. Gemeinsam reisen sie auch gerne. Wenn sie nicht unterwegs sind, freut sich Thomas Schaible über die Besuche seiner 23 und 25 Jahre alten Söhne und seines Enkels. Auch nach Schramberg sind die Kontakte nicht ab gerissen, im Gegenteil: sein Bruder lebt noch immer hier. Allzu lange hält Thomas Schaible es aber nie am Boden aus. Denn nach 43 Jahren als Pilot hat er noch immer
nicht genug vom Fliegen.

Obwohl Thomas Schaible beruflich ständig unterwegs ist, reist er zusammen mit seiner Frau Elke Portheine in der Freizeit gerne und lernt fremde Länder und Kulturen kennen.
Obwohl Thomas Schaible beruflich ständig unterwegs ist, reist er zusammen mit seiner Frau Elke Portheine in der Freizeit gerne und lernt fremde Länder und Kulturen kennen.